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| | einiger Zeit besteht sie wirklich nur noch aus Haut und Kno- |
| | chen. |
| | Eh2Bey den Italienern, in der Opera buffa, gab es vorigen Winter eben |
| | so brilliante Fiaskos wie in der großen Oper. Auch über die Sänger |
5 | | wurde dort viel geklagt, mit dem Unterschied, daß die Italiener |
| | manchmal nicht singen wollten und die armen französischen San- |
| | geshelden nicht singen konnten. Nur das kostbare Nachtigallen- |
| | paar, Signor Mario und Signora Grisi, waren immer pünktlich auf |
| | ihrem Posten in der Salle Ventadour und trillerten uns dort den blü- |
10 | | hendsten Frühling vor, während draußen Schnee und Wind, und |
| | h2Fortepianokonzerte, und Deputirtenkammerdebatten, und Polka- |
| | wahnsinn. EJa, das sind holdselige Nachtigallen, und die italienische |
| | Oper ist der ewig blühende, singende Wald, wohin ich oft flüchte, |
| | wenn winterlicher Trübsinn mich umnebelt, oder der Lebensfrost |
15 | | unerträglich wird. Dort, im süßen Winkel einer etwas verdeckten |
| | Loge, wird man wieder angenehm erwärmt, und man verblutet |
| | wenigstens nicht in der Kälte. Der melodische Zauber verwandelt |
| | dort in Poesie, was eben noch täppische Wirklichkeit war, der |
| | Schmerz verliert sich in Blumenarabesken, und bald lacht wieder Ddas |
20 | | Herz. Welche Wonne, wenn Mario singt, Eund in den Augen der h2Grisi |
| | die Töne des geliebten Sprossers sich gleichsam abspiegeln wie ein |
| | sichtbares Echo! Welche Lust, wenn die Grisi singt und in ihrer |
| | Stimme der zärtliche Blick und das beglückte Lächeln des Mario |
| | melodisch wiederhallt! Es ist ein liebliches Paar, und der persische |
25 | | Dichter, der die Nachtigall die Rose unter den Vögeln und die Rose |
| | wieder die Nachtigall unter den Blumen genannt hat, würde hier erst |
| | recht in ein Imbroglio gerathen, denn jene beiden, Mario und Grisi, |
| | sind nicht bloß durch Gesang, sondern auch durch Schönheit ausge- |
| | zeichnet. |
30 | | Ungern, trotz jenem reitzenden Paar, vermissen wir hier bey den |
| | Buffos Pauline Viardot, oder, wie wir sie lieber nennen, die h2Garcia. |
| | Sie ist nicht ersetzt und niemand kann sie ersetzen. EDiese ist keine |
| | Nachtigall, die bloß ein Gattungstalent hat und das Frühlingsgenre |
| | vortrefflich schluchzt und trillert; – sie ist auch keine Rose, denn sie |
35 | | ist häßlich, aber von einer Art Häßlichkeit, die edel, ich möchte fast |
| | sagen schön ist, und die den großen Löwenmaler Lacroix manchmal |
| | bis zur Begeistrung entzückte! In der That, die Garcia mahnt weni- |
| | ger an die civilisirte Schönheit Dund zahme Grazie unserer europäi- |
| | schen Heimath, als vielmehr an die schauerliche Pracht einer exoti- |
40 | | schen Wildniß, und in manchen Momenten ihres passionirten Vor- |