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| | Zwischen meinem ersten und meinem zweiten Begegniß mit Lud- |
| | wig Börne liegt jene Juliusrevoluzion, welche unsere Zeit gleichsam |
5 | | in zwey Hälften auseinander sprengte. Die vorstehenden Briefe mögen |
| | Kunde geben von der Stimmung, in welcher mich die große Begeben- |
| | heit antraf, und in gegenwärtiger Denkschrift sollen sie als vermit- |
| | telnde Brücke dienen zwischen dem ersten und dem dritten Buche. |
| | Der Uebergang wäre sonst zu schroff. Ich trug Bedenken eine grö- |
10 | | ßere Anzahl dieser Briefe mitzutheilen, da in den nächstfolgenden |
| | der zeitliche Freyheitsrausch allzu ungestüm über alle Polizeyverord- |
| | nungen hinaustaumelte, während späterhin allzuernüchterte Betrach- |
| | tungen eintreten und das enttäuschte Herz in muthlose, verzagende |
| | und verzweifelnde Gedanken sich verliert! Schon die ersten Tage |
15 | | meiner Ankunft in der Hauptstadt der Revoluzion merkte ich, daß |
| | die Dinge in der Wirklichkeit ganz andre Farben trugen, als ihnen |
| | die Lichteffekte meiner Begeisterung in der Ferne geliehen hatten. |
| | Das Silberhaar, das ich um die Schulter Lafayettes, des Helden beider |
| | Welten, so majestätisch flattern sah, verwandelte sich bey näherer |
20 | | Betrachtung in eine braune Perücke, die einen engen Schädel kläg- |
| | lich bedeckte. Und gar der Hund Medor, den ich auf dem Hofe des |
| | Louvre besuchte, und der, gelagert unter dreyfarbigen Fahnen und |
| | Trophäen, sich ruhig füttern ließ: er war gar nicht der rechte Hund, |
| | sondern eine ganz gewöhnliche Bestie, die sich fremde Verdienste an- |
25 | | maßte, wie bey den Franzosen oft geschieht, und eben so wie viele |
| | Andre exploitirte er den Ruhm der Juliusrevoluzion ... Er ward ge- |
| | hätschelt, gefördert, vielleicht zu den höchsten Ehrenstellen erhoben, |
| | während der wahre Medor, einige Tage nach dem Siege, bescheiden |
| | davon geschlichen war, wie das wahre Volk, das die Revoluzion |
30 | | gemacht ... |
| | Armes Volk! Armer Hund! sic vos non vobis. |
| | Es ist eine schon ältliche Geschichte. Nicht für sich, seit undenk- |
| | licher Zeit, nicht für sich hat das Volk geblutet und gelitten, sondern |
| | für andre. Im Juli 1830 erfocht es den Sieg für jene Bourgeoisie, die |
35 | | eben so wenig taugt wie jene Noblesse, an deren Stelle sie trat, mit |
| | demselben Egoismus ... Das Volk hat nichts gewonnen durch seinen |
| | Sieg als Reue und größere Noth. Aber seyd überzeugt, wenn wieder |
| | die Sturmglocke geläutet wird und das Volk zur Flinte greift, dies- |
| | mal kämpft es für sich selber und verlangt den wohlverdienten Lohn. |
40 | | Diesmal wird der wahre, ächte Medor geehrt und gefüttert wer- |