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   Dichters, die er sich beilegt, merken wir nicht das Geringste, und wir füh-
   len uns unangenehm von der Atmosphäre des Romanzero umweht. Heine
   mit seinen jetzigen dichterischen Erzeugnissen erinnert uns an eine Sitte
   oder vielmehr eine Unsitte, die Ludwig XIV. und die Prinzen seines
5  Geschlechtes sich gestatteten, welche wir aber in einem für gebildete
   Leser bestimmten Blatte nicht näher bezeichnen dürfen; er erinnert uns
   an etwas, was aus derselben Zeit vom Marschall Vendome berichtet wird.
   Auch er macht dem Publikum gegenüber gar keine Umstände und thut
   sich bei Erleichterung seines Geistes nicht den geringsten Zwang an. Wir
10  unseres Theils würden uns scheuen, mit diesen zu Fidibus umgewandel-
   ten neuen Gedichten von Heine – denn zu viel Besserem dienen sie nicht –
   eine feine Havana-Cigarre anzuzünden, in der Besorgniß den Geschmack
   derselben zu verderben. Auch als es ein wenig später galt, ein milderes
   Urteil über Lutezia zu fällen, wurden erneut die Gedichte samt den
15  Geständnissen als negativer Vergleichspol herangezogen. Wir müssen
   zunächst eine gewisse Freude darüber aussprechen, daß wir uns hier <Lu-
   tezia> in etwas anständigerer Gesellschaft befinden als bei den Ge-
   ständnissen und Gedichten des ersten Bandes (S. 350).
  __Der Vergleich mit der Frühlyrik, der mehr oder weniger explizit bei
20  allen kritischen Stimmen vernehmbar war, wurde mit besonderem Nach-
   druck im ersten Teil der Rezension der Vermischten Schriften in der Berli-
   ner Feuerspritze. Illustrirte Montags-Zeitung entwickelt, ja, er machte
   die ganze, kurze Aussage zu den Gedichten aus (Nr. 44 vom 31. Oktober
   1854; der zweite Teil folgte in der Nr. 45 vom 6. November 1854). Ernst
25  Kossak, der mutmaßliche Verfasser, schreibt: Sein B u c h   d e r   L i e - 
      d e r  wird ihn und seine vermischten Schriften überleben. Allerdings
   sind seine letzten Gedichte, die er darin veröffentlicht hat, nur die falben
   Herbstblätter des nicht mehr frühlingsgrünen Baums. Sie sind welk und
   dürre auf dem trostlosen Krankenbett erstanden und riechen nach Arze-
30  nei. Der arme  L a z a r u s  in Paris singt nicht mehr wie der junge Dichter
   einst am schönen Rheinstrom sang. Daß er aber überhaupt noch singt
   und schreibt, ist ein Beweis für eine wunderbare Begabung und unver-
   wüstliche Geisteskraft.
  __Die Frankfurter Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und Publicität,
35  Nr. 270 vom 11. November 1854 begnügte sich betreffs der Gedichte mit
   der lapidaren Bemerkung, daß man außer Die Audienz und Die Wahlver-
   lobten die übrigen ohne Leidwesen missen könnte. Der Wiener Lloyd
   Nr. 130 vom 2. Dezember 1854 brachte hingegen im Rahmen einer von
   L. Sp. (d. i. Ludwig Speidel) signierten Rezension eine ausführliche Bespre-
40  chung der Gedichte, die wieder einmal auf die Entfernung vom Buch der
   Lieder (sowie von den Neuen Gedichten) hinwies, und die versuchte, die
   Desillusions-Technik, die die zahlreichen Gedichtschlüsse kennzeichnet,
   als poetische Impotenz zu erklären. Die Reihe von Gedichten, welche in
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