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| | der medizäischen Venus; sie ist nemlich ebenfalls sehr alt, hat ebenfalls keine |
| | Zähne; ihr Kinn, wenn sie sich rasirt hat, ist eben so glatt wie das Kinn jener |
| | marmornen Göttinn, auch geht sie fast eben so nackt wie diese und zwar um zu |
| | zeigen, daß ihre Haut nicht ganz gelb sey sondern hie und da auch einige weiße |
5 | | Flecken habe. HVergebens habe ich dieser liebenswürdigen Dame die versöhnlich- |
| | sten Artigkeiten gesagt, z. B. daß ich sie beneide, weil sie sich nur einmahl die |
| | Woche zu rasieren braucht, während ich diese schreckliche Operazion alle Tage |
| | erdulden muß, daß ich sie für die tugendhafteste von allen Frauen halte, die |
| | keine Zähne haben, daß ich ihr Herz zu besitzen wünsche und zwar in einer |
10 | | goldenen Kapsel – vergebens hier half keine Begütigung! Die Unversöhnliche |
| | haßt mich zu sehr und wie einst Isabella von Kastillien das Gelübde that nicht |
| | eher ihr Hemd zu wechseln als bis Granada gefallen sey: so hat jene Dame |
| | ebenfalls geschworen, nicht eher ein reines Hemd anzuziehen, als bis ich, ihr |
| | Feind zu Boden liege. Nun setzt sie alle Skribler gegen mich in Bewegung, |
15 | | namentlich ihren armen Gatten, den wahrlich das isabellenfarbige Hemd seiner |
| | Ehehälfte nicht wenig inkomodirt, besonders im Sommer, wo die HHolde |
| | dadurch noch anmuthiger als gewöhnlich duftet – so daß er manchmahl wie |
| | wahnsinnig aus dem Bette springt, und nach dem Schreibtische stürzt und mich |
| | schnell zu Grunde schreiben will. |
20 | | Das Brockhausische Konversazionsblatt enthält im Sommer weit mehr |
| | Schmähartikel gegen mich als im Winter. |
| | Verzeih, lieber Leser, daß diese Zeilen dem Ernste der Zeit nicht ganz |
| | angemessen sind. Aber meine Feinde sind gar zu lächerlich! Ich sage Feinde, ich |
| | gebe ihnen aus Courtoisie diesen Titel, obgleich sie meistens nur meine |
25 | | Verläumder sind. Es sind kleine Leute, deren Haß nicht einmahl bis an meine |
| | Waden reicht. Mit stumpfen Zähnen nagen sie an meinen Stiefeln. Das bellt sich |
| | müd da unten. |
| | Mißlicher ist es, wenn die Freunde mich verkennen. Das dürfte mich |
| | verstimmen, und wirklich, es verstimmt mich. Ich will es aber nicht verhehlen, |
30 | | ich will es selber zur öffentlichen Kunde bringen, daß auch von Seiten der |
| | himmlischen Parthey mein guter Leumund angegriffen worden. Diese hat jedoch |
| | Phantasie, und ihre Insinuazionen sind nicht so platt prosaisch wie die der |
| | böotischen, sodomitischen und abderitischen Parthey. HOder gehörte nicht eine |
| | große Phantasie dazu, daß man mich in jüngster Zeit der antiliberalsten |
35 | | Tendenzen bezüchtigte und der Sache der Freyheit abtrünnig glaubte? Eine |
| | gedruckte Aeußerung über diese angeschuldete Abtrünnigkeit fand ich diese |
| | Tage in einem Buche betitelt: »Briefe eines Narren an eine Närrin.« HOb des |
| | vielen Guten und Geistreichen, das darin enthalten ist, ob der edlen Gesinnung |
| | des Verfassers überhaupt, verzeih ich diesem gern die mich betreffenden bösen |
40 | | Aeußerungen; ich weiß von welcher Himmelsgegend ihm dergleichen zugebla- |
| | sen worden, ich weiß woher der Wind pfiff. HDa giebt es nemlich unter unseren |
| | jakobinischen Enragés, die seit den Juliustagen so laut geworden, einige |
| | Nachahmer jener Polemik, die ich während der Restaurazionsperiode mit fester |