|
|
| | Ich mußte mich lange mit dem lieblichen Bratenduft begnügen, |
| | der mir entgegenwogte aus der thürlosen Küche gegenüber, wo Mut- |
| | ter und Tochter neben einander saßen und sangen und Hühner rupf- |
| | ten. Erstere war remarkabel korpulent; Brüste, die sich überreichlich |
5 | | hervorbäumten, die jedoch noch immer klein waren im Vergleich mit |
| | dem kolossalen Hintergestell, so daß jene erst die Instituzionen zu |
| | seyn schienen, dieses aber ihre erweiterte Ausführung als Pandekten: |
| | Die Tochter, eine nicht sehr große, aber stark geformte Person, |
| | schien sich ebenfalls zur Korpulenz hinzuneigen; aber ihr blühendes |
10 | | Fett war keineswegs mit dem alten Talg der Mutter zu vergleichen. |
| | Ihre Gesichtszüge waren nicht sanft, nicht jugendlich liebreitzend, |
| | jedoch schön gemessen, edel, antik; Locken und Augen brennend |
| | schwarz. Die Mutter hingegen hatte flache, stumpfe Gesichtszüge, |
| | eine rosenrothe Nase, blaue Augen, wie Veilchen in Milch gekocht, |
15 | | und liljenweiß gepuderte Haare. Dann und wann kam der Wirth, il |
| | Signor padre, herangesprungen, und fragte nach irgend einem |
| | Geschirr oder Geräthe, und im Rezitativ bekam er die ruhige Wei- |
| | sung, es selbst zu suchen. Dann schnalzte er mit der Zunge, kramte |
| | in den Schränken, J2kostete aus den kochenden Töpfen, verbrannte |
20 | | sich das Maul und sprang wieder fort, und mit ihm sein Nasenka- |
| | meel und das rothe Aeffchen. Hinter ihnen drein schlugen dann die |
| | lustigsten Triller, wie liebreiche Verhöhnung und Familienneckerey. |
| | Aber diese gemüthliche, fast idyllische Wirthschaft unterbrach |
| | plötzlich ein Donnerwetter; ein vierschrötiger Kerl mit einem brül- |
25 | | lenden Mordgesicht stürzte herein, und schrie etwas, das ich nicht |
| | verstand. Als beide Frauenzimmer verneinend die Köpfe schüttelten, |
| | gerieth er in die tollste Wuth und spie Feuer und Flamme, wie ein |
| | kleiner Vesuv, der sich ärgert. Die Wirthinn schien in Angst zu gera- |
| | then, und flüsterte begütigende Worte, die aber eine entgegenge- |
30 | | setzte Wirkung hervorbrachten, so daß der rasende Mensch eine |
| | eiserne Schaufel ergriff, einige unglückliche Teller und Flaschen zer- |
| | schlug, und auch die arme Frau geschlagen haben würde, hätte nicht |
| | die Tochter ein langes Küchenmesser erfaßt und ihn niederzuste- |
| | chen gedroht, im Fall er nicht sogleich abzöge. |
35 | | Es war ein schöner Anblick, das Mädchen stand da blaßgelb und |
| | vor Zorn erstarrend, wie ein Marmorbild, die Lippen ebenfalls |
| | bleich, die Augen tief und tödtlich, eine blaugeschwollene Ader quer |
| | über der Stirn, die schwarzen Locken wie flatternde Schlangen, in |
| | den Händen ihr blutiges Messer - Ich schauerte vor Lust, denn leib- |
40 | | haftig sah ich vor mir das Bild der Medea, wie ich es oft geträumt in |