DHA, Bd. 7/1, S.         
 
  Ich mußte mich lange mit dem lieblichen Bratenduft begnügen,
  der mir entgegenwogte aus der thürlosen Küche gegenüber, wo Mut-
  ter und Tochter neben einander saßen und sangen und Hühner rupf-
  ten. Erstere war remarkabel korpulent; Brüste, die sich überreichlich
5 hervorbäumten, die jedoch noch immer klein waren im Vergleich mit
  dem kolossalen Hintergestell, so daß jene erst die Instituzionen zu
  seyn schienen, dieses aber ihre erweiterte Ausführung als Pandekten:
  Die Tochter, eine nicht sehr große, aber stark geformte Person,
  schien sich ebenfalls zur Korpulenz hinzuneigen; aber ihr blühendes
10 Fett war keineswegs mit dem alten Talg der Mutter zu vergleichen.
  Ihre Gesichtszüge waren nicht sanft, nicht jugendlich liebreitzend,
  jedoch schön gemessen, edel, antik; Locken und Augen brennend
  schwarz. Die Mutter hingegen hatte flache, stumpfe Gesichtszüge,
  eine rosenrothe Nase, blaue Augen, wie Veilchen in Milch gekocht,
15 und liljenweiß gepuderte Haare. Dann und wann kam der Wirth, il
  Signor padre, herangesprungen, und fragte nach irgend einem
  Geschirr oder Geräthe, und im Rezitativ bekam er die ruhige Wei-
  sung, es selbst zu suchen. Dann schnalzte er mit der Zunge, kramte
  in den Schränken, J2kostete aus den kochenden Töpfen, verbrannte
20 sich das Maul und sprang wieder fort, und mit ihm sein Nasenka-
  meel und das rothe Aeffchen. Hinter ihnen drein schlugen dann die
  lustigsten Triller, wie liebreiche Verhöhnung und Familienneckerey.
  Aber diese gemüthliche, fast idyllische Wirthschaft unterbrach
  plötzlich ein Donnerwetter; ein vierschrötiger Kerl mit einem brül-
25 lenden Mordgesicht stürzte herein, und schrie etwas, das ich nicht
  verstand. Als beide Frauenzimmer verneinend die Köpfe schüttelten,
  gerieth er in die tollste Wuth und spie Feuer und Flamme, wie ein
  kleiner Vesuv, der sich ärgert. Die Wirthinn schien in Angst zu gera-
  then, und flüsterte begütigende Worte, die aber eine entgegenge-
30 setzte Wirkung hervorbrachten, so daß der rasende Mensch eine
  eiserne Schaufel ergriff, einige unglückliche Teller und Flaschen zer-
  schlug, und auch die arme Frau geschlagen haben würde, hätte nicht
  die Tochter ein langes Küchenmesser erfaßt und ihn niederzuste-
  chen gedroht, im Fall er nicht sogleich abzöge.
35 Es war ein schöner Anblick, das Mädchen stand da blaßgelb und
  vor Zorn erstarrend, wie ein Marmorbild, die Lippen ebenfalls
  bleich, die Augen tief und tödtlich, eine blaugeschwollene Ader quer
  über der Stirn, die schwarzen Locken wie flatternde Schlangen, in
  den Händen ihr blutiges Messer - Ich schauerte vor Lust, denn leib-
40 haftig sah ich vor mir das Bild der Medea, wie ich es oft geträumt in
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