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| | Endlich, endlich erlaubte es die Witterung, Paris und den warmen Kamin |
5 | | zu verlassen, und die ersten Stunden, die ich auf dem Lande zubringe, |
| | sollen wieder dem geliebten Freunde gewidmet seyn. Wie hübsch scheint |
| | mir die Sonne aufs Papier und vergoldet die Buchstaben, die Ihnen meine |
| | heitersten Grüße überbringen! Ja, der Winter flüchtet sich über die Berge, |
| | und hinter ihm drein flattern die neckischen Frühlingslüfte, gleich einer |
10 | | Schaar leichtfertiger Grisetten, JHDdie einen verliebten Greis mit Spottgeläch- |
| | ter, oder wohl gar mit Birkenreisern, verfolgen. Wie er keucht und ächzt, |
| | der weißhaarige Geck! Wie ihn die jungen Mädchen unerbittlich vor sich |
| | hintreiben! Wie die bunten Busenbänder knistern und glänzen! Hie und |
| | da fällt eine Schleife ins Gras! Die Veilchen schauen neugierig hervor, und |
15 | | mit ängstlicher Wonne betrachten sie die heitere Hetzjagd. Der Alte ist |
| | endlich ganz in die Flucht geschlagen und die Nachtigallen singen ein |
| | Triumphlied. Sie singen so schön und so frisch! Endlich können wir die |
| | große Oper mistsammt Meyerbeer und Düprez entbehren. Nourrit |
| | entbehren wir schon längst. Jeder in dieser Welt ist am Ende entbehrlich, |
20 | | ausgenommen etwa die Sonne und Ich. Denn ohne diese beiden kann ich |
| | mir keinen Frühling denken, und auch keine Frühlingslüfte und keine |
| | Grisetten, und keine deutsche Literatur! .. Die ganze Welt wäre JHDein |
| | gähnendes Nichts, der Schatten einer Null, der Traum eines Flohs, ein |
| | Gedicht von Carl Streckfuß! |
25 | | Ja, es ist Frühling und ich kann endlich die Unterjacke ausziehn. Die |
| | kleinen Jungen haben sogar ihre Röckchen ausgezogen und springen in |
| | Hemdeärmeln um den großen Baum, der neben der kleinen Dorfkirche |
| | steht und als Glockenthurm dient. Jetzt ist der Baum ganz mit Blüthen |
| | bedeckt, und sieht aus wie ein alter gepuderter Großvater, der, ruhig und |
30 | | lächelnd, in der Mitte der blonden Enkel steht, die lustig um ihn |
| | herumtanzen. Manchmal überschüttet er sie neckend mit seinen weißen |
| | Flocken. Aber dann jauchzen die Knaben um so brausender. Streng ist es |
| | untersagt, bey Prügelstrafe untersagt, an dem Glockenstrang zu ziehen. |
| | Doch der große Junge, der den übrigen ein gutes Beyspiel geben sollte, |
35 | | kann dem Gelüste nicht widerstehen, er zieht JHDheimlich an dem verbotenen |
| | Strang, und dann ertönt die Glocke wie großväterliches Mahnen. |
| | Späterhin, im Sommer, wenn der Baum in ganzer Grüne prangt und das |
| | Laubwerk die Glocke dicht umhüllt, hat ihr Ton etwas geheimnißvolles, |
| | es sind wunderbar gedämpfte Laute, und sobald sie erklingen, verstum- |
40 | | men plötzlich die geschwätzigen Vögel, die sich auf den Zweigen wiegten, |
| | und fliegen erschrocken davon. |