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| | heißt dieser Maler. Ist er ein Historienmaler oder ein Genremaler? höre |
| | ich die deutschen Zunftmeister Dfragen. Leider kann ich hier diese Frage |
5 | | nicht umgehen, ich muß mich über jene unverständigen Ausdrücke etwas |
| | verständigen, um den größten Mißverständnissen ein für allemal |
| | vorzubeugen. Jene Unterscheidung von Historie und Genre ist so |
| | sinnverwirrend, daß man glauben sollte, sie sey eine Erfindung der |
| | Künstler, die am babylonischen Thurme gearbeitet haben. Indessen ist sie |
10 | | von späterem Datum. In den ersten Perioden der Kunst gab es nur |
| | Historienmalerey, nemlich Darstellungen aus der heiligen Historie. |
| | Nachher hat man die Gemälde, deren Stoffe nicht bloß der Bibel, der |
| | Legende, sondern auch der profanen Zeitgeschichte und der heidnischen |
| | Götterfabel entnommen worden, ganz ausdrücklich mit dem Namen |
15 | | Historienmalerey bezeichnet; und zwar im Gegensatze zu jenen Darstel- |
| | lungen aus dem gewöhnlichen Leben, die namentlich in den Niederlanden |
| | aufkamen, wo der protestantische Geist die katholischen und mytholo- |
| | gischen Stoffe ablehnte, wo für letztere vielleicht Dweder Modelle, noch |
| | Sinn jemals vorhanden waren, und wo doch so viele ausgebildete Maler |
20 | | lebten, die Beschäftigung wünschten, und so viele Freunde der Malerey, |
| | die gerne Gemälde kauften. Die verschiedenen Manifestazionen des |
| | gewöhnlichen Lebens wurden alsdann verschiedene »Genres«. |
| | JSehr viele Maler haben den Humor des bürgerlichen Kleinlebens |
| | bedeutsam dargestellt, doch die technische Meisterschaft wurde leider die |
25 | | Hauptsache. Alle diese Bilder gewinnen aber für uns ein historisches |
| | Interesse; denn wenn wir die hübschen Gemälde des Mieris, des |
| | Netscher, des Jan Steen, des Van Dow, des van der Werff u.s.w. |
| | betrachten, offenbart sich uns wunderbar der Geist ihrer Zeit, wir sehen |
| | so zu sagen dem sechzehnten Jahrhundert in die Fenster und erlauschen |
30 | | damalige Beschäftigungen und Kostüme. In Hinsicht der letztern waren |
| | die niederländischen Maler ziemlich begünstigt, die Bauerntracht war |
| | nicht unmalerisch und die Kleidung des Bürgerstandes war bey den |
| | DMännern eine allerliebste Verbindung von niederländischer Behaglichkeit |
| | und spanischer Grandezza, bey den Frauen eine Mischung von bunten |
35 | | Allerweltsgrillen und einheimischem Phlegma. Z.B. Myn heer mit dem |
| | burgundischen Sammtmantel und dem bunten Ritterbaret hatte eine |
| | irdene Pfeife im Munde; Mifrow trug schwere schillernde Schleppen- |
| | kleider von venezianischem Atlas, brüsseler Kanten, afrikanische Strauß- |
| | federn, russisches Pelzwerk, westöstliche Pantoffeln, und hielt im Arm |
40 | | eine andalusische Mandoline oder ein braunzottiges Hondchen von |