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| | den König wirken. Bey Thiers stößt er auf die entgegengesetzten |
| | Eigenschaften, auf einen ungezügelten Leichtsinn, auf eine kecke |
| | Laune, auf eine Freymüthigkeit, die mit seinem eigenen versteckten, |
| | krummlinigten, eingeschachtelten Charakter fast beleidigend kon- |
5 | | trastirt und ihm also ebenfalls wenig behagen kann. Hierzu kommt, |
| | daß der König gern spricht, ja sogar sich gern in ein unendliches |
| | Schwatzen verliert, was sehr merkwürdig, da verstellungssüchtige |
| | Naturen gewöhnlich wortkarg sind. Gar bedeutend muß ihm deß- |
| | halb ein Guizot mißfallen, der nie diskurirt, sondern immer dozirt |
10 | | und endlich, wenn er seine Thesis bewiesen hat, die Gegenrede des |
| | Königs mit Strenge anhört, und wohl gar dem Könige Beyfall nickt, |
| | als habe er einen Schulknaben Dvor sich, der seine Lekzion gut her- |
| | sagt. Bey Thiers gehts dem König noch schlimmer, der läßt ihn gar |
| | nicht zu Worte kommen, verloren in die Strömung seiner eignen |
15 | | Rede. Das rieselt unaufhörlich, wie ein Faß, dessen Hahn ohne Zap- |
| | fen, aber immer kostbarer Wein. Kein Anderer kommt da zu Worte, |
| | und nur während er sich rasirt, ist man im Stande, bey Herrn Thiers |
| | ruhiges Gehör zu finden. Nur solange ihm das Messer an der Kehle |
| | ist, schweigt er und schenkt fremder Rede Gehör. |
20 | | Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß der König sich endlich ent- |
| | schließt, den Begehrnissen der Kammer nachgebend, Herrn Thiers |
| | mit der Bildung eines neuen Ministeriums zu beauftragen und ihm |
| | als Präsidenten des Conseils auch das Portefeuille der äußern Angele- |
| | genheiten anzuvertrauen. Das ist leicht vorauszusehen. Man dürfte |
25 | | aber mit großer Gewißheit prophezeyen, daß das neue Ministerium |
| | nicht von langer Dauer seyn wird, und daß Herr Thiers selber eines |
| | frühen Morgens dem Könige eine gute Gelegenheit giebt, ihn wieder |
| | zu entfernen und Herrn Guizot an seine Stelle zu berufen. Herr |
| | Thiers, bey seiner Behendigkeit und Geschmeidigkeit, zeigt immer |
30 | | ein großes DTalent, wenn es gilt den mât de Cocagne der Herrschaft |
| | zu erklettern, hinauf zu rutschen, aber er bekundet ein noch größe- |
| | res Talent des Wiederheruntergleitens, und wenn wir ihn ganz sicher |
| | auf dem Gipfel seiner Macht glauben, glitscht er unversehens wieder |
| | herab, so geschickt, so artig, so lächelnd, so genial, daß wir diesem |
35 | | neuen Kunststück schier applaudiren möchten. Herr Guizot ist nicht |
| | so geschickt im Erklimmen des glatten Mastes. Mit schwerfälliger |
| | Mühe zottelt er sich hinauf, aber wenn er oben einmal angelangt, |
| | klammert er sich fest mit der gewaltigen Tatze; er wird auf der Höhe |
| | der Gewalt immer länger verweilen, als sein gelenkiger Nebenbuhler, |
40 | | ja wir möchten sagen, daß er aus Unbeholfenheit nicht mehr herun- |