DHA, Bd. 13/1, S.         
 
  den König wirken. Bey Thiers stößt er auf die entgegengesetzten
  Eigenschaften, auf einen ungezügelten Leichtsinn, auf eine kecke
  Laune, auf eine Freymüthigkeit, die mit seinem eigenen versteckten,
  krummlinigten, eingeschachtelten Charakter fast beleidigend kon-
5 trastirt und ihm also ebenfalls wenig behagen kann. Hierzu kommt,
  daß der König gern spricht, ja sogar sich gern in ein unendliches
  Schwatzen verliert, was sehr merkwürdig, da verstellungssüchtige
  Naturen gewöhnlich wortkarg sind. Gar bedeutend muß ihm deß-
  halb ein Guizot mißfallen, der nie diskurirt, sondern immer dozirt
10 und endlich, wenn er seine Thesis bewiesen hat, die Gegenrede des
  Königs mit Strenge anhört, und wohl gar dem Könige Beyfall nickt,
  als habe er einen Schulknaben Dvor sich, der seine Lekzion gut her-
  sagt. Bey Thiers gehts dem König noch schlimmer, der läßt ihn gar
  nicht zu Worte kommen, verloren in die Strömung seiner eignen
15 Rede. Das rieselt unaufhörlich, wie ein Faß, dessen Hahn ohne Zap-
  fen, aber immer kostbarer Wein. Kein Anderer kommt da zu Worte,
  und nur während er sich rasirt, ist man im Stande, bey Herrn Thiers
  ruhiges Gehör zu finden. Nur solange ihm das Messer an der Kehle
  ist, schweigt er und schenkt fremder Rede Gehör.
20 Verweis in den Anhang: Bruchstück A Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß der König sich endlich ent-
  schließt, den Begehrnissen der Kammer nachgebend, Herrn Thiers
  mit der Bildung eines neuen Ministeriums zu beauftragen und ihm
  als Präsidenten des Conseils auch das Portefeuille der äußern Angele-
  genheiten anzuvertrauen. Das ist leicht vorauszusehen. Man dürfte
25 aber mit großer Gewißheit prophezeyen, daß das neue Ministerium
  nicht von langer Dauer seyn wird, und daß Herr Thiers selber eines
  frühen Morgens dem Könige eine gute Gelegenheit giebt, ihn wieder
  zu entfernen und Herrn Guizot an seine Stelle zu berufen. Herr
  Thiers, bey seiner Behendigkeit und Geschmeidigkeit, zeigt immer
30 ein großes DTalent, wenn es gilt den mât de Cocagne der Herrschaft
  zu erklettern, hinauf zu rutschen, aber er bekundet ein noch größe-
  res Talent des Wiederheruntergleitens, und wenn wir ihn ganz sicher
  auf dem Gipfel seiner Macht glauben, glitscht er unversehens wieder
  herab, so geschickt, so artig, so lächelnd, so genial, daß wir diesem
35 neuen Kunststück schier applaudiren möchten. Herr Guizot ist nicht
  so geschickt im Erklimmen des glatten Mastes. Mit schwerfälliger
  Mühe zottelt er sich hinauf, aber wenn er oben einmal angelangt,
  klammert er sich fest mit der gewaltigen Tatze; er wird auf der Höhe
  der Gewalt immer länger verweilen, als sein gelenkiger Nebenbuhler,
40 ja wir möchten sagen, daß er aus Unbeholfenheit nicht mehr herun-
 DHA, Bd. 13/1, S.